Kunst und Kultur sind aus dem urbanen Kontext nicht wegzudenken. Aber was bedeutet Kunst eigentlich für Kinder? Die wichtigsten Ideen, Institutionen und Angebote.
Ein Raum, ein buntes Potpourri aus Alltagsgegenständen und viele fleißige Kinderhände – es dauert nicht lange und aus Wattebäuschen, Putzschwämmen, Zahnstochern und aussortierten Postkarten werden Häuser, Türme, Segelboote, Roboter. Wunschlandschaft heißt das Areal, dass das Mumok im Rahmen des jährlichen Kinderaktiontages zur offenen Werkstätte umfunktioniert. Und das passt, denn es ist tatsächlich eine wundersame Phantasiestadt, die sich da mit Blick auf die Ausstellungsräume formt.
Das Bedürfnis etwas zu schaffen, ist im Menschen angelegt. Lässt man die Kleinsten einfach machen, wird das besonders schnell deutlich, denn dabei wird ununterbrochen ausprobiert und abgespeichert, umgeworfen und aufgebaut, kurz: es wird ziemlich viel gelernt.

Ein Raum, viele Stifte, kleine Hände. (c) Mumok (www.nikohavranek.at)
Und lernen, das ist ein wichtiger Aspekt der Museumspädagogik, einer Disziplin, der es immer darum gehen muss, die Kunst aus ihrem Elfenbeinturm herauszuholen, sie den Menschen näher zu bringen und dabei eben auch mal in Kinderhände zu legen. „Kinder verstehen Kunst eigentlich immer gut“, sagt Claudia Ehgartner. Sie leitet die Kunstvermittlungsabteilung für Kinder im Wiener Mumok und weiß: „Es sind in der Regel eher die Museen, die einschüchtern, nicht die Kunst an sich.“
Die Freiheit zu sehen.
Damit „sei still“ und „nicht anfassen“ also nicht zu den wichtigsten Erfahrungen im Museum werden, entwickelt man an den Häuser unterschiedliche Strategien. Eine davon ist der von Ehgartner initiierte Kinderaktionstag, an dem sich das Mumok auf allen sechs Etagen für tausende Kinder öffnet. „Dieser eine Tag im Jahr hat auch bei uns im Haus etwas verändert. Einfach weil die Kinder eine gewisse Offenheit und eine sehr positive Grundstimmung einbringen.“ Überhaupt könne man im musealen Kontext von Kindern nur profitieren, weil sie „noch frei von all den Vorstellungen und vorgefertigten Meinungen sind.“ Und so kann es auch passieren, dass die Kinder Dinge sehen, die den Experten bisher gar nicht aufgefallen sind. „Es stellt sich ja immer die Frage, welche Rolle Wissen für die Kunstrezeption spielt. Und natürlich macht die mit Hintergrundwissen Spaß, auf der anderen Seite sieht man eben oft nur das, was man bereits gelesen hat“, so Ehgartner. Und weiter: „Die Kinder haben oft viel freiere Assoziationen. Und irgendwie geht es auch darum diese Neugierde und die Freiheit im Blick zu bewahren.“
Kinder werden längst gezielt ins Museum geholt. Neben dem Kinderaktionstag passiert das im Mumok etwa immer sonntags: Denn da wird das hauseigene Atelier für Familien geöffnet, es wird zu einem monatlich wechselnden Thema gewerkt und gearbeitet. Dabei gibt es Inputs von Künstlern und Experten, genauso wie punktuelle Besuche in den Ausstellung. „Familien wollen heute eher gemeinsam etwas erleben, das Kind nicht bloß ‚zum Malen‘ bringen und wieder holen. Da hat sich tatsächlich einiges geändert“, weiß Ehgartner. Kein Wunder also, dass viele Institutionen mittlerweile auf dieses Bedürfnis reagieren. Altersgerechte Mitmach-Führungen für die ganze Familie gibt es etwa in der Albertina, Besuch im Atelier inklusive. Im 21er Haus bittet man in diesem Winter an verschiedenen Terminen zum Ping-Pong-Spiel und baut gemeinsam Popup-Bäume und bei den Mini-MAK-Führungen begeben sich Groß und Klein im Haus am Ring gemeinsam auf die Suche nach wilden Tieren.
Kunst auf Augenhöhe.
Mitmachen statt Gesagtbekommen ist kurz gefasst also das Konzept, das allen diesen Angeboten zu Grunde liegt. Weil man am besten lernt, was man selbst erfahren hat, weil man behält, was im Wortsinn und in Ruhe begriffen wurde. Ein Angebot zu schaffen, das Raum für Familien bietet, die Kinder mit einbezieht, das lohnt sich auch für die Institutionen – schließlich holt man sich mit den Kindern auch gleich deren Eltern zurück ins Haus.
Das haben viele große Museen längst begriffen. Die Tate Modern in London hat nicht nur einen eigenen Spielbereich für Kleinkinder und laufend Programme, die auch junge Gäste begeistern, sie betreiben sogar eine eigene Website für Kinder. Das Statens Museum for Kunst in Kopenhagen hat ein eigenes Kindermuseum integriert und in der Dresdner Albertina hat man kürzlich kurzerhand einige Werke des Malers Ferdinand von Rayski tiefer gehängt, damit die Kinder sie besser im Blick haben.
Das Museum als Motor.
Bei all diesen Initiativen bleibt aber klar, dass in der Regel nur Kinder angesprochen werden, deren Eltern eben ohnehin sonntags mit ihnen ins Museum gehen. Damit auch alle anderen erreicht werden, ist die Zusammenarbeit mit pädagogischen Institutionen besonders wichtig. Brennpunktschulen werden häufig gezielt angeschrieben und eingeladen, im Mumok etwa im Rahmen des Projekts „Seereise“, bei dem zunächst die Schüler ins Museum kommen, dort sowohl das Atelier und die Ausstellungen kennenlernen, und bei einem zweiten Termin Familienangehörige mitbringen und denen dann selbst das Museum zeigen – in ihrem Tempo und in ihren Sprachen.
Kunst emotionalisiert, im besten Fall macht sie jedenfalls irgendetwas mit einem. Genau das kann auch dafür genutzt werden, Menschen zu erreichen, die nicht davon ausgehen, dass ein Museum ein Ort ist, der auch für sie gedacht ist. „Wir müssen klarmachen, dass Kunst nicht nur der Erbauung dient, sondern eine soziale Verantwortung hat“, sagte etwa die Galeristin Christine König im Rahmen der Vienna Art Week. Sie gehört zu den Unterstützern der Wiener Lerntafel, einem Projekt der Kunstsammlerin Gheri Sackler, bei dem vordergründig Deutschkenntnisse und grundlegende Fertigkeiten in Fremdsprachen oder Mathematik vermittelt werden auf einer zweiten Ebene aber vor allem auch ganz neue Perspektiven. Das Projekt baut auf die Hilfe von Künstlern und Galeristen, die den Dialog mit den Schülern suchen und auch gemeinsam mit ihnen arbeiten. Und Impulse setzen, zu neuen Wegen inspirieren – das ist dann eben auch eine Aufgabe von Kunst.
Links und Tipps:
Zoom 16. Die Kreativwerkstatt ist eine Dependance des Zoom Kindermuseums. In Ottakring wird gewerkt, gebastelt und erzählt.
21er Haus. Es gibt zahlreiche Angebote für Familien und Kindern, auch Workshops während der Ferien. Am 1. Dezember lädt das 21er Haus zum Open House mit buntem Programm.
Albertina. Für den Familysonntag in der Albertina muss man sich unbedingt im Vorfeld anmelden.
MAK. An den ersten drei Samstagen im Dezember gibt es Spezialprogramme zu verschiedenen Themen. Mini MAK im Advent, 14 – 16 Uhr.
Mumok. Die offenen Ateliers am Sonntag können ohne Voranmeldung besucht werden. Von 12 bis 16 Uhr kann im Familienverband zum aktuellen Schwerpunktthema gearbeitet werden.